Porträt: Die Karriere von Weltfußballerin Nadine Keßler verläuft wellenförmig. Aber nicht weil die aus dem südwestpfälzischen Weselberg stammende Nationalspielerin wankelmütig wäre – im Gegenteil. Ihr linkes Knie bereitet ihr schon immer große gesundheitliche Probleme. Dafür hat sie es weit gebracht.

Wolfsburg. Mehr Anerkennung geht nicht: Nadine Keßler (26) aus Weselberg, das 20 Kilometer von Kaiserslautern entfernt liegt, ist Weltfußballerin. Das ist eine große Überraschung. Nicht, weil sie es nicht verdient hätte, sondern weil ihre sportliche Laufbahn wegen ihres anfälligen und mehrfach operierten linken Knies immer wieder von längeren Pausen unterbrochen worden ist.Wenn es um ihre Auszeiten geht, dann ist Nadine Keßler sehr zurückhaltend. Sie redet nicht gerne darüber, wer will ihr das auch verdenken.

Ihr großer Bruder Thorsten gönnt ihr es, Weltfußballerin geworden zu sein, weil er besser als viele andere weiß, wie sehr sie immer wieder dafür kämpfen musste, spielen zu können. Und dass sie manchmal auch dann auf dem geliebten Fußballplatz steht, wenn es vielleicht besser wäre, zu verzichten. „Aber sie ist eine Kämpferin“, sagt der 37-Jährige.

In Weselberg ist sie auf dem Sportplatz groß geworden. Sie war ein fröhliches Kind, hat – wenn die Hausaufgaben erledigt waren – die Nachmittage von „zwei bis um sieben“, wie ihre Mutter Ruth erzählt, mit ihren Freunden Fußball gespielt. Sie war gut, kam als Jugendliche ins Auswahltraining nach Münchweiler zu Patrik Müller. Von dort aus ging’s nach Saarbrücken ins Internat und zum damaligen Zweitligisten 1. FC Saarbrücken, für den sie 2009 mit 32 Treffern Torschützenkönigin der 2. Liga wurde. Ihr erstes Länderspiel hatte sie da längst bestritten – beim historischen ersten U15-Länderspiel in der DFB-Geschichte überhaupt – im Mai 2003 in Solingen gegen die Niederlande. Beim 1:0 für die deutsche Auswahl ist sie in der zweiten Halbzeit eingewechselt worden.

In Saarbrücken war sie – wie könnte es anders sein – erst mal verletzt. „Aber als ich sie das erste Mal habe spielen sehen, war mir gleich klar, dass es eine besondere Spielerin ist“, sagt ihr damaliger Trainer Winnie Klein. „Nadine hat etwas, was andere nicht haben. Sie ist eine absolute Führungspersönlichkeit“, sagt der Coach, der in ihr einen verlängerten Arm hatte. „Wenn es mal etwas gab, worüber ich mir tagelang Gedanken gemacht habe, dann kam sie und meinte, komm’ Trainer, ich mach’ das. Dann war’s auch erledigt“, sagt Winnie Klein, der den Werdegang seines ehemaligen Schützlings natürlich verfolgt und im vergangenen Jahr schon „stolz wie Oscar“ war, als sie Europas Fußballerin des Jahres geworden ist.

Nun ist „Kessi“, die in Folge einer Knie-Operation mal wieder pausiert, die beste Fußballerin der Welt. Und sie wird die gleiche bescheidene Person bleiben, die sie bisher war. Gerne fängt sie Sätze wie Miroslav Klose oder auch Welttrainer Joachim Löw mit dem netten „Wer mich kennt, der weiß, dass ich ...“ an. Und das macht sie, weil sie die Bodenhaftung nie verloren hat. Weltfußballerin zu werden, das hat sie „sprachlos“ gemacht.

Ihre ersten großen internationalen Erfolge hat sie mit Turbine Potsdam gefeiert. 2009 hatte sie den Schritt vom kleinen FCS zu einem der Topvereine gewagt. „Sie hat sich in jungen Jahren hier in einem für sie völlig anderen sportlichen wie kulturellen Umfeld durchgebissen. Und damit hat sie die Basis für das gelegt, was sie heute ist“, sagt Potsdams Trainer Bernd Schröder. Die Schule des berühmt-berüchtigten Schleifers war Nadine Keßler eine Lehre. „Ich war nie so fit wie nach der Vorbereitung in Potsdam“, erzählte sie damals. Vor allem stellte sie fest, dass die Quälerei sich am Ende einer Saison auszahlt.

Was Nadine Keßler, die von Kindesbeinen an großer FCK-Fan ist, als Fußballerin ausmacht, ist, dass sie Spiele entscheidet und, wenn gar keine andere will, auch die wichtigen Tore. Sie macht den Unterschied. Sie hat ihn als Kind bei den Bambini gemacht. Sie macht ihn in Wolfsburg, wenn es darum geht, die wichtigen Spiele zu entscheiden. Und sie macht ihn in der Nationalelf. Mit dem VfL hat sie als Spielführerin 2013 und 2014 die Champions League gewonnen. Wobei das Finale im vergangenen Jahr ein typisches Keßler-Spiel war. 0:2 hatte Wolfsburg gegen den schwedischen Topklub Tyresö FF mit Marta zur Pause zurückgelegen. Die spannende Partie endete 4:3 für Wolfsburg. Martina Müllers Siegtreffer hat wer vorbereitet? Nadine Keßler!Ausnahmsweise mal roter Teppich statt grüner Rasen: Nadine Keßler bei der Gala in Zürich. Foto: dpa

 

Zur Person: Nadine Keßler ist 26 Jahre alt. Geboren in Landstuhl, aufgewachsen in Weselberg. Weil die Eltern die Bewirtung im Sportheim machen, ist sie als Kind jeden Tag auf dem Fußballplatz. Sie spielt mit Jungs, ihre ersten Vereine sind der SC Weselberg, der SV Hermersberg und der SV Herschberg. Von 2004 bis 2009 spielt sie für den 1. FC Saarbrücken, mit dem sie in die Bundesliga aufsteigt und 2008 das Pokal-Finale in Berlin erreicht. Mit Turbine Potsdam (2009 - 2011) gewinnt sie die Champions League. Seit Sommer 2011 trägt sie das Wolfsburger Trikot, in dem sie 2013 das Triple und 2014 die Meisterschaft und die Champions League gewinnt. Mit der Nationalelf wird sie 2013
Europameisterin. (Die Rheinpfalz)


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