Fritz Fuchs ist ein alter Hase im Fußballgeschäft. Als eisenharter Verteidiger hielt der 71-Jährige einst in 168 Bundesligaspielen für den 1. FC Kaiserslautern die Knochen hin, ehe er sich nach seiner Profilaufbahn auch als Übungsleiter einen Namen machte. Mehr als ein Dutzend Trainerstationen führten ihn dabei einmal quer durch die Republik. Sein Anliegen damals wie heute: Die Persönlichkeit junger Fußballer zu formen.
Gemäß dieses Credos übernahm Fuchs vor anderthalb Jahren auch das Traineramt beim Landesligisten SV Hermersberg und stellte dort ein umfassendes Jugendkonzept auf die Beine. „SVH 4 KIDS“ tauften die Initiatoren des in der Südwestpfalz beheimateten Klubs ihr Projekt, welches Kinder und Jugendliche bei der Berufsfindung, im sozialen Umgang miteinander sowie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen soll.
"In Deutschland muss man sich als Trainer immer etwas einfallen lassen, um die Mannschaft zu motivieren. In Brasilien dagegen haben die Jungs mich als Trainer motiviert"
Im Interview mit FUSSBALL.DE stellt Fritz Fuchs die Bedeutung des Jugendkonzepts heraus, er spricht gesellschaftliche Themen an und verrät, welchen Anteil der verstorbene Weltmeister Fritz Walter an seiner noch immer unbändigen Leidenschaft für den Fußball hat.
- Der SV Hermersberg hat sich in seinem Vereinsleitfaden selbst einen „sozialpolitischen Auftrag“ gegeben. Was hat es hiermit auf sich, Herr Fuchs?
Fritz Fuchs: Für uns als Ausbildungsverein ist es enorm wichtig, dass sich die Heranwachsenden nicht nur sportlich, sondern vor allem auch in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln. Wir wollen eine Basis für deren Zukunft schaffen, indem wir ihnen Werte wie Disziplin, Anstand und Respekt vermitteln. Gleichzeitig kümmern wir uns aber auch darum, dass die Jugendlichen in die Berufswelt integriert werden, indem wir ihnen eine Arbeitsstelle besorgen.
- Wie sieht diese Unterstützung bei der Jobsuche konkret aus?
Wir haben innerhalb des SV Hermersberg einen sogenannten "Klub der Freunde" gegründet, dem verschiedene Unternehmen angehören. Diese bieten ständig Lehrstellen und Arbeitsplätze an. Besonders die Spieler, die über keine abgeschlossene Ausbildung verfügen und ohne Unterstützung vermutlich früher oder später auf der Straße landen würden, profitieren letztlich davon.
"Zeiten werden nicht einfacher"
Fritz Fuchs arbeitet derzeit als Trainer beim Landesligisten SV Hermersberg, hört dort aber im Sommer auf. [Foto: Imago]
- Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, einen richtigen Beruf zu erlernen und nicht alles auf die Karte Fußball zu setzen?
Ich sage zu meinen jungen Spielern immer, dass sie die Schulausbildung auf keinen Fall vernachlässigen sollen, damit sie später einmal gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Sollte die angestrebte Profikarriere nämlich wider Erwarten doch einmal ins Leere laufen, hätten sie immer noch eine berufliche Absicherung in der Hinterhand. Die Zeiten werden sicher nicht einfacher und man sollte nicht vergessen, dass das Leben schließlich auch nach dem Fußball weitergeht.
- Welche Intention verfolgt Hermersberg mit seinem Jugendkonzept „SVH 4 KIDS“?
Unsere Motivation liegt hauptsächlich darin, den Heranwachsenden aufzuzeigen, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Man muss sich in eine Gesellschaft einordnen, denn nur dann kann auch die Gemeinschaft als solche stark sein. Ein großes Problem besteht meiner Ansicht nach vor allem darin, dass einigen Kindern und Jugendlichen die Führung fehlt und sie dadurch leider immer wieder vom Weg abkommen. Mit unserem Konzept versuchen wir, sie wieder auf die richtige Spur zu bringen.
- Gelingen soll das auch mit Feriencamps, die der SV Hermersberg ins Leben gerufen hat.
Genau, seit dem vergangenen Jahr bieten wir in den Oster-, Sommer- und Herbstferien entsprechende Camps an. Unter den Teilnehmern konnten wir auch schon einige wirklich talentierte Kinder ausmachen. Die Durchführung dieser Feriencamps war aber nur der erste Schritt, inzwischen wurden bereits zahlreiche weitere soziale Projekte angestoßen.
- Das klingt interessant.
Aktuell bemühen wir uns beispielsweise um ein Objekt in Hermersberg, welches wir gerne als Unterkunftsmöglichkeit für Waisenkinder nutzen würden. Unser Bürgermeister ist uns in diesen Angelegenheiten immer eine unglaubliche Stütze. Noch ist hierzu allerdings keine endgültige Entscheidung gefallen, wenngleich wir natürlich alle sehr hoffnungsvoll sind, dass es tatsächlich klappt.
- Ihr Arbeitseifer scheint auch mit 71 Jahren ungebremst.
Ich höre zwar am Saisonende als Trainer des SV Hermersberg auf, das heißt aber nicht, dass ich mich komplett aus dem Fußballgeschäft zurückziehen werde. Wir befinden uns zurzeit mitten in den Planungen für eine Fußballschule, um die ich mich dann zukünftig intensiv kümmern werde. Ziel ist es, benachteiligten Kindern, deren Eltern arbeitslos sind oder nur über ein geringes Einkommen verfügen, ein wöchentliches Fördertraining zu ermöglichen. Der Fokus soll hierbei aber keineswegs allein auf das Sportliche liegen. Auch die Integration von ausländischen Spielern ist uns in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Nicht zuletzt wollen wir den Kindern auch in schulischen Angelegenheiten unterstützend zur Seite stehen, indem wir ihnen Nachhilfeunterricht anbieten.
"Ein echtes Fußballdorf"
- Ehrgeizige Ziele für einen auf dem ersten Blick doch recht unscheinbaren Amateurklub aus der Landesliga.
Hermersberg ist eben ein echtes Fußballdorf. Viele andere Vereine aus ähnlich kleinen Dörfern bekommen noch nicht einmal genügend Akteure für eine Reservemannschaft zusammen. Unser Klub kann dagegen von der G-Jugend bis zur ersten Mannschaft auf die stolze Zahl von fast 200 Spielern blicken. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass wir uns ganz klar dazu positioniert haben, ein Ausbildungsverein zu sein.
- Klingt ganz so, als würde man beim SV Hermersberg positiv in die Zukunft blicken.
In der Tat trägt unser Konzept so langsam erste Früchte. Im letzten Jahr ist beispielsweise unserer zweiten Mannschaft der ersehnte Aufstieg in die A-Klasse gelungen. Große Freude bereiten uns derzeit aber auch die A-Junioren, die in ihrer Spielklasse die Tabelle souverän anführen. Wünschenswert wäre es natürlich, dass unsere erste Mannschaft - gefüttert mit möglichst vielen Spielern aus dem eigenen Nachwuchsbereich - in nicht allzu ferner Zukunft wieder in der Verbandsliga spielt. Der Schlüssel zum Erfolg wird letztlich sein, dass wir alle im Verein eine gemeinsame Richtung verfolgen.
- Vor einigen Jahren haben Sie in Brasilien ein Jugendcamp geleitet. Welche Erfahrungen konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen?
In dem Camp waren damals rund 70 Kinder untergebracht – allesamt ganz arme Jungs, die gerade einmal ein Paar Badeschlappen besaßen. Trotzdem hat es der eine oder andere später sogar bis nach Deutschland in den Profibereich geschafft. Die Eigenmotivation der Spieler war schon beeindruckend. In Deutschland muss man sich als Trainer immer etwas einfallen lassen, um die Mannschaft zu motivieren. In Brasilien dagegen haben die Jungs mich als Trainer motiviert.
- Motivation ist ein gutes Stichwort. Woher nehmen Sie diese nach über 50 Jahren im Fußballgeschäft eigentlich noch?
Dazu muss ich weit ausholen. Zu meiner aktiven Zeit hatte ich das große Glück, beim SV Alsenborn unter dem damaligen Trainer Fritz Walter spielen zu dürfen. Nicht nur als Fußballer war er für uns alle ein großes Vorbild, sondern vor allem auch als Mensch. Dank ihm habe ich später auch den Sprung in die Bundesliga geschafft. In den verbleibenden Jahren, in denen ich im Fußball noch tätig bin, möchte ich von diesem Glück gerne etwas an die Jungs zurückgeben.
Autor: Dennis Smandzich (fussball.de)